Samstag, 26. März 2016

HEBO Schule und Godesberger Internat Maichle

Eines unserer Kinder war ein knappes Jahr lang auf der HEBO Schule und im Godesberger Internat Maichle (GIM) untergebracht. 
Es handelt sich um das Kind, das sowohl mit ADHS, als auch mit Asperger Autismus und Hochbegabung „gesegnet“ ist.
Die HEBO Schule gilt wohl in Deutschland als DIE Schule schlechthin für Kinder mit ADHS, und führt auch als weiteren Schwerpunkt Kinder mit Asperger Autismus auf.
Ich denke man kommt an dieser Schule, wenn man über eine alternative Beschulung für ein Kind mit ADHS nachdenkt, kaum vorbei.
Ich kann gleich zu Beginn dieses Posts vorausschicken, dass es dort für unser Kind leider gar nicht gepasst hat.
Dieser Post soll aber keinesfalls eine Art Abrechnung werden.
Ich werde einfach grob beschreiben, wo ich aufgrund unserer eigenen Erfahrungen die Stärken und Schwächen der Schule und des Internats sehe.

Zunächst mal eine kurze Beschreibung der Grundorganisation.
Die HEBO Schule selbst kümmert sich nur um die Beschulung der Kinder.
Es gibt in Bonn/Bad Godesberg mehrere Internate, in denen man seine Kinder unterbringen kann.
Dabei sind wahrscheinlich das GIM und das ARGO besonders hervorzuheben.
Diese beiden Internate sind ebenfalls stark auf Kinder mit ADHS spezialisiert, und zum Teil auch auf Asperger Autismus.
Vor allem mit diesen beiden Internaten kooperiert die HEBO Schule sehr eng.
Der Prägnanteste Unterschied zwischen diesen beiden Internaten war für uns, dass die Kinder im ARGO jedes Wochenende nach Hause fahren, während sie im GIM nur jedes zweite Wochenende heim dürfen.
Die Argumentation des GIM, die wir selbst auch sehr gut nachvollziehen können, ist, dass es immer einige Tage dauert, um einige einfache Abläufe bei den Kindern zu etablieren.
Wenn sie dann direkt zwei Tage zuhause verbringen, kann das Internat im Prinzip den Montag wieder bei Null anfangen.

Unser Kind hat im GIM auf jeden Fall einiges gelernt.
Vor allem was selbständiges ausführen von bestimmten Abläufen betrifft, so hat er sich dort schon ganz gut entwickelt.
Doch emotional kam niemals eine Verbindung zu den Pädagogen zu Stande.
Aus nachvollziehbaren Gründen (man betrachte die zahlreichen Missbrauchsskandale in den letzten Jahren) halten die Pädagogen eine gewisse Distanz zu den Kindern.
Ich denke dass dieser schmale Grat zwischen Nähe und Distanz für viele Kinder ganz gut passt.
Für unser Kind hat er leider gar nicht gepasst.
Während ich die Internatsleitung insgesamt für sehr kompetent halte, so ist die Qualität der Pädagogen eher heterogen.
Mit der Hochbegabung schienen aber so gut wie alle überfordert zu sein.
Das war eine Komponente, mit der niemand dort wirklich umgehen konnte.

Auf der HEBO Schule war das Bild ähnlich.
In Punkto ADHS macht die Schule sicher sehr vieles genau richtig.
Aber mit der Hochbegabung waren auch hier einige Lehrer überfordert.
Dazu kommt noch, dass einige Mechanismen, die einem beim Kennenlernen der Schule vorgestellt werden, in Wirklichkeit gar nicht gelebt werden.
So wurde uns z.B. erzählt, dass die Schulpsychologin einzelnen Schülern als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht, wenn sie Probleme mit einem Lehrer haben, und dabei sogar als „Anwältin“ des Schülers fungieren soll.
Wenn unser Kind in solchen Situationen war, war es ihm entweder nicht erlaubt, sie aufzusuchen, oder sie war nicht ansprechbar.
Der Mechanismus hat aber nie so funktioniert, wie er uns verkauft wurde.
Interessierte und kritische Nachfragen, wie sie von einem hochbegabten Kind nun mal häufiger kommen, wurden von manchen Lehrern als Provokation oder Sabotageversuch ausgelegt, und mit aktenkundigen Tadeln quittiert, die unserem Kind sogar ein mal Sozialstunden eingebracht haben.
Per Brief bekommt man dann die Aufforderung, an dem Kind zu arbeiten, damit sich das bessert.
Irgendwie scheint der Schule nicht so richtig bewusst zu sein, dass die Eltern dort ihre Kinder nur ein mal die Woche oder alle 14 Tage sehen.
Der Einfluss ist da sicher begrenzt.
Und an dem Mangelnden Verständnis für Hochbegabung müsste meiner Meinung nach woanders gearbeitet werden.

Wenn eine solche Maßnahme über das Jugendamt läuft, gibt es alle sechs Monate ein Hilfeplangespräch, an dem Das Jugendamt, die Eltern, die Schule und das Internat teilnehmen, und in Teilen auch das Kind.
Hier kam eigentlich immer (und mit zunehmender Dauer immer mehr) das Gefühl auf, dass wir Eltern für jedes neu aufkommende Problem verantwortlich gemacht werden, obwohl wir ja wirklich einen nur noch sehr begrenzten Einfluss auf das Kind hatten.
Und diesen Einfluss haben wir die ganze Zeit über genutzt, um das Kind „auf Linie“ zu bringen.
Fakt ist, dass wir unser Kind mit einem Haufen von Problemen dort in die Obhut gegeben haben.
Ein ganz kleiner Teil der Probleme hat sich dort ein wenig gebessert, aber ein neuer und großer Haufen an Problemen ist dort ganz neu dazugekommen, und wir wurden dafür verantwortlich gemacht.
Pädagogen aller Art scheinen dort wohl nicht besonders gut darin zu sein, Fehler auch bei sich selbst zu suchen.
Selbst der Vertreterin des Jugendamtes, die eigentlich immer neutral auftreten muss, ist diese Schieflache sehr stark aufgefallen, noch bevor wir es dort aktiv angesprochen haben.
Unser Kind hat dort immer mehr Wutausbrüche bekommen, fing an Lehrer zu beleidigen, hat mit Ladendiebstählen angefangen und wurde insgesamt immer unglücklicher.
Wir können nur mit Sicherheit sagen, dass dieses Verhalten nicht vorlag, als das Kind noch zuhause in unserer Obhut war.
Und auch nachdem wir das Kind dann wieder nach Hause geholt haben, war von diesem Verhalten nichts mehr übrig.
Ich denke man muss nicht lange überlegen, wo die Ursachen dafür lagen.

Doch ich habe ja eingangs schon geschrieben, dass das hier keine Generalabrechnung mit diesen Einrichtungen sein soll.
Sowohl die pädagogische Leitung der Schule, als auch die Leitung des GIM haben sich zum Ende der Maßnahme ausdrücklich bei uns für alles entschuldigt, was dort schief gelaufen ist.
Vor allem von seinen der der Schule bekamen wir eindeutig die Aussage, dass da wirklich einiges von Seiten der Schule und des Internats genau so gelaufen ist, wie es auf keinen Fall laufen darf, und dass das wirklich bedauert wird.
Deshalb glaube ich auch, dass die „Vision“, die diese Einrichtungen haben, sicher gut ist.
Aber an der Umsetzung hat es un unserem Fall leider deutlich gehapert.
Das ist dann auch ein Punkt, den in einem anderen Post angesprochen habe.
Die Entscheidung dafür, unser Kind dort hinzugeben, war wohlüberlegt und richtig.
Doch es wäre falsch gewesen stoisch an dieser Entscheidung festzuhalten, wenn sich mit der Zeit herausstellt, dass ein anderer Weg besser ist.
Und dann haben wir eben eine neue Entscheidung getroffen.
Die Schule und die Internate haben für sich einen probaten Weg gefunden, wie sie mit Kindern mit ADHS gut umgehen und ihnen helfen können.
Für diese Kinder, die in der Massenschulung untergehen, haben sie eine spezielle, aber nicht gänzlich individuelle Form der (Massen-)Beschulung geschaffen.
Das ist keine Kritik, denn all das beruht auf viel Erfahrung und Expertise, über welche die Einrichtungen definitiv verfügen.
Aber für jedes Kind passt das dann trotzdem nicht.

Haben sie auch Erfahrungen mit diesen oder auch anderen Einrichtungen?
Haben sie nich Fragen zu unseren Erfahrungen?
Hinterlassen sie mir gerne einen Kommentar.

Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag

AHA-Blogger



Mittwoch, 16. März 2016

Wie schreibt man ein Entwicklungstagebuch?

Ich weiß nicht ob es irgendwelche Vorgaben über ein Entwicklungstagebuch gibt, an die man sich halten sollte.
Als wir in der Situation waren, Entwicklungstagebücher zu brauchen, haben wir zumindest nichts brauchbares gefunden.
Ich kann ihnen also nur näher bringen, wie unsere eigenen Entwicklungstagebücher aussehen.

Wir haben am Anfang erst mal einen beschreibenden Abschnitt, in dem die aktuelle Familiensituation kurz dargestellt wird.
Darin sind folgende Informationen enthalten:
  • Geburtsdatum des Kindes
  • Eltern (Namen, Geburtsdaten, Beruf)
  • Geschwister (Namen, Geburtsdaten, ggf. Beruf)
  • Haustiere (Rasse, Alter)
Das kann man sicher auch ausführlicher machen, doch für uns hat es in dieser Form erst mal gereicht.

Dann haben wir einzelne Zeitabschnitte definiert, die für uns stimmig waren:
  • Baby- und Kleinkindalter (ca. 0-3 Jahre)
  • Kindergartenzeit (ca. 3-6 Jahre)
  • Grundschulzeit (ca. 6-10 Jahre)
  • Weiterführende Schule (ab ca. 10 Jahre)
Die Weiterführende Schule haben wir zeitlich auch noch mal untergliedert, wenn es da schon Schulwechsel gab.

Inhaltlich haben wir jeden dieser Zeitabschnitte auch noch mal in zwei Blöcke aufgeteilt:
  • Beobachtungen
  • Maßnahmen
Im Block Beobachtungen haben wir besondere Auffälligkeiten skizziert, die das Kind in seinem Verhalten gezeigt hat.
Das können eigene Beobachtungen sein, wie z.B. geringe soziale Integration, riesige Diskussionen bei Hausaufgaben oder zu Bett gehen.
Es können aber auch Rückmeldungen von Erziehern, Lehrern oder anderen Personen aus dem Umfeld sein.
Aber natürlich gehören hier auch allgemeine Informationen zur Entwicklung des Kindes rein, wie z.B. der Schulbesuch o.ä.
Im Abschnitt Maßnahmen halten wir dann unsere Maßnahmen fest, die sich aus den Beobachtungen abgeleitet haben.
Das können bestimmte Therapien sein, Gespräche mit Lehrern, neue Regeln zuhause, etc.

Ganz am Schluss haben wir noch einen Abschnitt verfasst, der uns Eltern etwas genauer beschreibt.
Hieraus soll der Leser erschließen können, mit wem er es hier zu tun hat, und wer dieses Entwicklungstagebuch überhaupt verfasst hat.
Hier schreiben wir auch über unsere Einstellung zu unserem Kind, zu seiner Problemstellung, auf welche Arten wir uns einsetzen, und wo wir für uns auch sog. „rote Linien“ ziehen.

Wir haben bisher durchweg sehr positives Feedback für unsere Entwicklungstagebücher erhalten.
Jede Institution empfand sie als äußerst hilfreich und informativ.
Und genau unter diesem Focus sollte man sie auch schreiben.
Sie müssen sich die ganze Zeit im Klaren drüber sein, wer das Entwicklungstagebuch später lesen soll, und welche Informationen für die Leser wichtig sind (und welche nicht).
Unter diesem Aspekt sollten sie es verfassen.
Und es sollte möglichst objektiv sein.
Jede fehlende Information, auch wenn sie das Gefühl haben dass ihr Kind dadurch in sein schlechtes Licht gerückt würde, schadet am Ende dem Kind.
Jeder, der das Tagebuch liest, sollte danach ein wirklich umfassendes und objektives Bild von dem Kind haben, mit all seinen Problemen.

Wenn sie noch genauere Informationen haben möchten, oder sich gerne hierzu austauschen würden, dann hinterlassen sie mir gerne einen Kommentar.
Ich unterstütze sie gerne auch konkreter.

Jetzt wünsche ich ihnen allen noch einen schönen Tag



AHA-Blogger

Samstag, 12. März 2016

Ich - Gastbeitrag meiner Tochter


Heute habe ich aus meiner Sicht etwas ganz besonderes.
Meine Tochter hat sich entschieden einen Beitrag zu verfassen, was mich wirklich sehr freut.
In diesem Beitrag setzt sie sich auch durchaus kritisch mit einer Entscheidung auseinander, die wir ursprünglich für sie getroffen hatten.
Bis auf ihren IQ-Wert habe ich nichts zensiert und alles so gelassen, wie sie es geschrieben hat.
Here we go...
Ich
Selbstidentifizierung eines Kindes mit ADHS und Hochbegabung
Hallo erstmal. Ich bin das älteste Kind in der Familie. Ein Mädchen, fast 15 Jahre alt. Ich habe eine Höchstbegabung (das bedeutet, mein IQ ist über XXX [edit by daddy]) und leide unter ADHS. Diese zwei Dinge haben mir sowohl einzeln als auch in Kombination schon einige Schwierigkeiten in der Schule und meinem sozialen Umfeld bereitet. Wenn man anders als die anderen Kinder ist und sich anders verhält, dann beginnt es bereits in der Grundschule, in manchen Fällen auch schon im Kindergarten, mit dem Ausschluss aus der Klassengemeinschaft. An diese Zeit kann ich mich aber nicht mehr so gut erinnern. In dem allgemeinbindenden Gymnasium mit Hochbegabten-Zug machte ich dann meine ersten eigenen Erfahrungen mit Neid und mangelnder Akzeptanz. Der Hochbegabten-Zug wurde aus der Schulgemeinschaft prinzipiell ausgeschlossen. Das Problem bei mir war, dass ich aufgrund dessen, dass ich die einzige Schülerin in der Klasse mit einer Kombination aus Hochbegabung und ADHS war, ich auch aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen wurde und dann am Ende allein war und zu einem Opfer von Mobbing in der Schule und Cybermobbing am Nachmittag wurde. Irgendwann wurde ich dann damit nicht mehr fertig, begann mich zurückzuziehen. Ich sagte kaum noch etwas, versteckte mich in den Pausen auf der Toilette vor den Mobbern, mein Schnitt rutschte auf 3,2. Ich bekam psychosomatische Symptome, hatte eine ernstzunehmende Schulangst. Ich wusste einfach nicht mehr weiter, konnte nicht in die Schule gehen und wollte auch nicht. Es war klar, ich müsse auf eine andere Schule gehen. Also suchten wir ein paar Monate, bis wir auf ein besonderes Internat stießen. Ich hatte eigentlich kein gutes Gefühl bei dem Gedanken, so weit von zu Hause entfernt zu sein, aber die Hoffnung auf Veränderung war größer. Also wechselte ich auf die Schule. Am Anfang lief alles super und ich war dort glücklich, doch in den Sommerferien trennten sich meine Eltern und ich lebte den für meine Psyche und mein persönliches Denken schlimmsten Sommer überhaupt. Ich war zerstört. Auch wenn meine Eltern schnell zu guten Freunden wurden, so war es doch schlimm für mich. Nach einer von Heimweh und nahenden Depressionen gequälten 8. Klasse wurde mir irgendwann klar, wer ich bin. Mir war klar, was ich hatte und das ich damit leben musste. Ich fand endlich raus, wie ich richtig leben konnte. Als meine Eltern mich in der 7. Klasse auf die Schule schickten, sagten sie mir zwei Dinge. Und zwar, dass niemand etwas von meiner Höchstbegabung oder meinem ADHS erfahren durfte. Am Anfang gehorchte ich. Ich wollte nicht, dass mir nochmal etwas wie an meiner alten Schule passierte. Doch jetzt, in der 9. Klasse wurde mir klar, dass diese zwei Dinge ein Teil von mir sind. Also erzählte ich meinen Freunden und allen die danach fragten von meinem ADHS und meinen Begabungen. Ich machte ihnen klar, dass ich kein Mensch war, der mit sowas angab. Und sie akzeptierten mich. Alle. Und ich fühle mich besser und erleichterter, wenn ich durch die Schule gehe, ohne Gedanken daran, was ich erzählen darf und was nicht. Ich habe mir geschworen, nie wieder wegen meinem ADHS oder meiner Begabung zu lügen, denn sie sind heute beide ein Teil von mir und das waren sie schon immer. Mir wurde einfach klar, wenn mich Menschen wegen diesen Sachen nicht mögen würden, warum sollte ich sie dann anlügen, nur damit sie mich mögen/akzeptieren? Ich habe nur noch etwas mit Menschen zu tun, die wissen und akzeptieren wie ich bin und das finde ich gut so! Und vielen Dank an meinen Vater, dass ich einen eigenen Beitrag verfassen durfte.
Als allererstes möchte ich hier zum Ausdruck bringen, wie stolz ich auf meine Tochter bin, dass sie für meinen Blog einen wirklich sinnvollen und durchaus kritischen Beitrag liefert.
Ich glaube dass es die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt war, dass wir ihr stark davon abgeraten haben, anderen von ihren Besonderheiten zu erzählen.
Es war aber ebenso richtig von ihr, zum richtigen Zeitpunkt mit dieser Vorgabe zu brechen, und hier ihren eigenen Weg zu gehen.
Sie war zu diesem Zeitpunkt alt genug das selbst zu entschieden, und die Konsequenzen (egal ob positiv oder negativ) anzunehmen.
Ich glaube, wir als Eltern könnten kaum stolzer auf sie sein, als wir es sind!

Wir wünschen allen noch einen schönen Tag

AHA-Blogger und seine Tochter

Freitag, 11. März 2016

Internatsunterbringung

Irgendwann kommen viele Eltern, deren Kinder unter ADHS leiden, an den Punkt, an dem sie das Gefühl haben, dass es nicht mehr weitergeht.
Sowohl die Schule, als auch die soziale Integration des Kindes gestalten sich immer schwieriger.
Ich denke es gilt erst mal gedanklich eine bestimmte Schwelle zu überschreiten: Habe ich als Vater/Mutter versagt, weil ich das vielleicht nicht schaffe?
Hier ist meine Position ganz klar.
Wir sind Eltern, aber die meisten von uns sind keine ausgebildeten Sonderpädagogen.
Sich irgendwann einzugestehen, dass man das nicht mehr schafft, ist kein Zeichen von Schwäche, oder ein Eingeständnis, dass man als Eltern versagt hat.
Im Gegenteil, man tut als Eltern genau das richtige, wenn man sich eingesteht, dass bestimmte spezielle Anforderungen die eigenen Kompetenzen einfach deutlich überschreiten, und man die Hilfe von Profis braucht.
Sich Gedanken darüber zu machen, dass man sein Kind vielleicht woanders hingibt, obwohl man es liebt und bei sich behalten möchte, ist aus meiner Sicht sogar ein Akt der Selbstlosigkeit von Seiten der Eltern, bei dem sie ihr eigenes Bedürfnis nach Nähe zum Kind hinter das Wohlergehen des Kindes anstellen.
Lassen sie sich bloß von niemandem einreden, dass es egoistisch von ihnen sei, ihr Kind in ein Internat zu geben, wenn dieser Schritt für sie in Frage kommt.

Ich möchte an dieser Stelle aber nicht missverstanden werden.
Ich plädiere keinesfalls dafür, dass man Kinder mit ADHS generell in ein Internat geben sollte.
Jedes Kind ist anders, ebenso jede Familie, und das ganze Umfeld.
Und so individuell muss auch die Entscheidung getroffen werden.
Dabei ist noch eine Sache wichtig: Egal wie sie sich entscheiden, sie werden niemals erfahren, wie es gewesen wäre, wenn sie sich anders entschieden hätten.
Überlegen sie gut!
Wägen sie gut ab!
Und dann entscheiden sie!
Wenn sie irgendwann das Gefühl haben, dass es anders besser wäre, dann hadern sie nicht mit ihrer alten Entscheidung.
Stehen sie zur alten Entscheidung in dem Sinne, dass es zu dem Zeitpunkt eine gute und wohl überdachte Entscheidung war.
Wenn die Dinge inzwischen anders liegen, haben sie dennoch den Mut, jetzt eben anders zu entscheiden, eine neue Entscheidung zu treffen.
Das macht die alte Entscheidung nicht unbedingt falsch.
Dinge verändern sich...

Ein solches Internat ist natürlich sehr kostspielig.
Die allerwenigsten von uns werden sich so etwas leisten können.
Doch es gibt eine Möglichkeit, wie man das Jugendamt mit einbeziehen kann.
Es gibt den §35a im SGB III.
Im Internet gibt es genügend Seiten, die sich eingehend mit diesem Paragrafen und den Möglichkeiten beschäftigen.
Ich glaube, ich erzeuge hier keinen Mehrwert, wenn ich das hier noch mal alles zusammentrage.
Ich will versuchen mich auf einige ganz spezielle Punkte zu konzentrieren, die ich persönlich als besonders wichtig erachte, oder die anderswo vielleicht weniger zur Sprache kommen.

Im Allgemeinen liest man häufig, dass es sehr sehr schwer ist, diese Maßnahme vom Jugendamt genehmigt zu bekommen.
Auch unser Kinderarzt, der vor allem beim Thema ADHS in unserer Region eine echte Koryphäe ist, hat uns gesagt, dass das sehr schwer ist, und er bis dato keinen Fall kennt, bei dem das funktioniert hätte.
Auch unsere Ansprechpartnerin beim Jugendamt hat uns vorab gesagt, dass diese Maßnahme in unserem Landkreis noch nie genehmigt wurde.
Dennoch wurde sie im Abstand von wenigen Wochen für zwei unserer Kinder jeweils im ersten Anlauf genehmigt.
Ich kann natürlich nicht sagen, was wir anders gemacht haben, als alle anderen.
Aber ich kann ihnen einige Punkte mitgeben, die aus meiner Sicht ganz entscheidenden Anteil an den positiven Bescheiden des Jugendamtes haben.
  1. Der Ton macht die Musik!
    Wir waren zu jedem Zeitpunkt immer sehr freundlich zu den Mitarbeitern des Jugendamts. Wir haben unseren Anspruch zwar selbstbewusst vertreten, aber haben das Jugendamt nie wie einen Gegner behandelt, sondern wie einen Partner, der uns hilft, das beste für unsere Kinder zu erreichen. Das färbt definitiv ab. Natürlich kann man immer an Menschen geraten, mit denen die Chemie nicht stimmt. Aber eine Konfrontation, die zu verhärteten Fronten führt, ist hier niemals zielführend. Wenn sich die Situation irgendwie verhärtet, dann treten sie im Gedanken einen Schritt zurück, und versuchen sie durch das stellen von Fragen wieder zurück ins Thema zu kommen („Wie können wir sie unterstützen […]?“, „Welche Möglichkeiten gibt es […]?“ etc.). Versuchen sie sich (und ggf. auch allen anderen Gesprächsteilnehmern) immer vor Augen zu halten, dass hier ein Kind ist, das auf die Hilfe aller Beteiligten und deren Kooperation angewiesen ist.
  2. Taktisches Vorgehen!
    Sie sollten dem Jugendamt nicht direkt eine Liste von Internaten präsentieren, oder gar ein Wunschinternat. Dann kommt sehr schnell das Gefühl auf, dass sie nur eine Luxusbeschulung ihres Kindes wollen, welche die Allgemeinheit bezahlen soll. Gehen sie ganz offen in das erste Gespräch. Das Jugendamt soll ihnen Vorschläge machen. Vielleicht gibt es bereits Einrichtungen, mit denen das Amt gute Erfahrungen gemacht hat. Lassen sie sich vom Amt erst mal alle Möglichkeiten aufzeigen. Versuchen sie dann zu vereinbaren, dass sie parallel auch nach geeigneten Einrichtungen suchen. Beim nächsten Termin können sie dann ihre Suchergebnisse mit den Vorschlägen des Internats abgleichen und besprechen.
    Wenn ihnen das Jugendamt zunächst auch ganz andere Maßnahmen vorschlägt, dann zeigen sei sich auch hierfür offen, auch wenn sie das eigentlich nicht wollen. Nehmen sie die Vorschläge mit nach Hause, um sie zu überdenken. Lehnen sie sie erst im Nachgang oder beim nächsten Termin ab, und liefern sie hierfür aber auch gute schliche Begründungen. Wenn sie Alternativen zu schnell ablehnen, könnte ebenfalls der Eindruck entstehen, dass sie nur etwas bestimmtes im Sinn haben, für das die Allgemeinheit aufkommen soll.
  3. Vorbereitung!
    Seien sie perfekt vorbereitet! Dazu gehört ein Attest oder Gutachten eines Amtsarztes. Für die Maßnahme muss der Arzt meines Wissens nach aber eine Qualifikation für Kinder- und Jugendpsychiatrie vorweisen. Aus diesem Attest muss eindeutig hervorgehen, dass das Kind eine seelische Behinderung hat (die mehr als sechs Monate andauert oder andauern wird), oder dass eine solche unmittelbar droht. Dass zur Linderung oder Abwendung dieser Behinderung, und damit das Kind irgendwann wieder zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben befähigt wird, eine vollstationäre Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung medizinisch notwendig ist. Wenn es keinen Amtsarzt mit geeigneter Qualifikation gibt, dann lassen sie sich lieber vom Amtsarzt an einen geeigneten Arzt überweisen. Wenn möglich an ihren eigenen Arzt (falls der die Voraussetzungen erfüllt), aber bestehen sie nicht darauf. Wenn die Maßnahme wirklich das richtige für ihr Kind ist, wird das jeder qualifizierte Arzt erkennen und attestieren. Der Weg über den Amtsarzt ist wichtig, wie sie in einem späteren Abschnitt noch sehen werden.
    Bringen sie auch alles andere mit, was irgendwie geraucht werden könnte. Sie können das sicher vorab telefonisch beim Amt erfragen. Eine Geburtsurkunde die das Kundschaftsverhältnis zu ihnen dokumentiert, und eine Meldebescheinigung, aus der hervorgeht, dass das Kind aktuell bei ihnen im Haushalt lebt, sollten sicher nicht fehlen.
    Wir haben für jedes Kind ein Entwicklungstagebuch verfasst. Das war für diese Maßnahme extrem hilfreich, hat aber auch in späteren Zeiten häufig gute Dienste geleistet. Dies jetzt im Detail zu beschreiben, würde den Rahmen sprengen. Ich versuche in den nächsten Tagen einen eigenen Post dazu zu schreiben.
    Durch eine perfekte Vorbereitung sparen sie nicht nur Zeit, sondern sie vermitteln den Menschen im Jugendamt auch bestimmte Botschaften. Die erste Botschaft ist, dass ihnen das Thema wirklich wichtig ist, und sie bereit sind, ihren eigenen Teil immer zuverlässig abzuliefern. Die zweite Botschaft ist, dass man es hier mit strukturierten Eltern zu tun hat, die sicher schon alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, und die nicht aufgrund ihrer eigenen Umstrukturiertheit Probleme mit ihrem Kind haben. Sie machen damit einfach einen sehr guten Eindruck. Nichts ist schlimmer, als wenn sie eigentlich etwas von einem Amt wollen, aber das Amt ihren Unterlagen und Angaben hinterherlaufen muss.
  4. Es geht nicht um die Schule!
    Auch wenn es aus ihrer eigenen Sicht in erster Linie um die Beschulung des Kindes geht, so ist das nicht der Kerninhalt des Paragrafen. Es geht eigentlich darum, dem Kind eine altersgerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, von welcher es aktuell aufgrund der seelischen Behinderung mehr oder weniger abgeschnitten ist. Das ist enorm wichtig! Aus Sicht des Amtes erfolgt die Beschulung quasi „nebenbei“, auch wenn sie sich natürlich an den speziellen Bedürfnissen dieser Kinder orientieren muss. Aber das ganze ist offiziell eine Wiedereingliederungsmaßnahme, keine Optimierung der Beschulung. Das sollten sie immer im Hinterkopf behalten, und ihre Argumentation immer daran ausrichten.
Wenn man die Maßnahme genehmigt bekommt, heißt das aber nicht, dass man selbst nichts bezahlen muss.
Es gibt das Instrument der Kostenheranziehung.
Das Jugendamt bezahlt die Maßnahme voll, wird aber versuchen sich einen Teil des Geldes wieder von ihnen zurückzuholen.
Die Regeln hierfür können von Bundesland zu Bundesland leicht unterschiedlich sein.
Theoretisch könnten sie sich sogar zwischen verschiedenen Landkreisen innerhalb eines Bundeslandes unterscheiden, aber davon würde ich mal nicht ausgehen.
Das Grundprinzip ist, dass jemand der finanziell leistungsfähiger ist als andere, auch selbst einen angemessenen Beitrag zu dieser Maßnahme leisten kann.
Je nach Einkommen wird man in einer Tabelle in eine bestimmte Gruppe eingeteilt, nach der sich dann der zu zahlende monatliche Kostenbeitrag bemisst.
Für gleichrangige Unterhaltsverpflichtungen (=weitere Kinder) wird man in der Regel in günstigere Gruppen eingestuft (außer man ist in einer besonders hohen Gruppe gelandet, dann gilt das nicht mehr).
Ein Ehepartner wird hier nicht als gleichrangig, sondern als nachrangig gesehen.
Und bei Ehepaaren wird jeder Partner einzeln veranlagt, und einzeln zur Kasse gebeten.
Das Kindergeld, das sie für das Kind in der Maßnahme bekommen, wird i.d.R. komplett an das Jugendamt gehen müssen.
Noch ein Tipp: Fragen sie nach Sonderregelungen für die Zeiten, in denen das Kind zuhause ist.
Bei uns war es so, dass eines unserer Kinder mehr als 20% der Kalendertage zuhause war (dabei zählen aber nur Zeiten ab drei Übernachtungen am Stück, also keine „normalen“ Wochenenden).
Dafür haben wir einen bestimmten Nachlass auf unsere Zahlungen bekommen.
Das wurde uns aber nicht direkt vom Amt gesagt, sondern wir haben selbst aufgrund der Zuhause-Zeiten beim Amt nachgebohrt.
Wenn die Maßnahme also mal genehmigt ist, dann fragen sie bei der Kostenheranziehung ruhig kritisch nach, was sich da noch alles reduzieren lässt.

Wenn sie zu einer Kostenheranziehung aufgrund der Höhe ihres Gehalts verpflichtet werden, dann können sie zumindest noch versuchen diese Kosten beim Finanzamt geltend zu machen, und so von der Steuer abzusetzen.
Wenn sie es richtig verargumentieren (seelische Behinderung, Wiedereingliederung, KEIN FOKUS AUF BESCHULUNG), dann können sie die Kosten als außergewöhnliche Belastung ansetzen.
Die medizinische Notwendigkeit MUSS aber durch ein Amtsärztliches Attest nachgewiesen werden.
Selbst wenn das Jugendamt auch ein anderes Attest akzeptiert, so ist das Finanzamt nicht an das Handeln der Jugendamtes gebunden, sondern an seine eigenen Vorschriften.
Und die sagen inzwischen ganz klar, dass von der Pflicht des amtsärztlichen Attestes nicht mehr abgewichen werden darf.
Wenn der Amtsarzt die Qualifikation nicht hatte, dann sollte er das zumindest bestätigt haben und sie an einen anderen Kollegen verwiesen haben.
Das ganze muss unbedingt vor Beginn der Maßnahme geschehen.
Nur so haben sie eine Chance diese Kosten von der Steuer abzusetzen.
Das Finanzamt wird aber eine kalkulatorische Haushaltsersparnis (wird wohl irgendwo zwischen monatlich 500 bis 700 EUR liegen) ansetzen, um die der Betrag, den sie ansetzen können, wieder reduziert wird.
Auch wenn das irgendwie ungerecht erscheinen mag (mir erscheint es sogar äußerst ungerecht), weil man ja dennoch ein Zimmer für das Kind vorhält, für das man weiter Miete zahlen muss, und teilweise sogar noch mehr Kosten hat, weil man für das Internat einige Dinge doppelt anschaffen muss, so gibt es da leider nichts, was man dagegen tun kann.
Man hat lediglich ein wenig Essen eingespart, aber den betroffene Eltern, deren Kinder Medikamente nehmen, werden i.d.R. ja von diesen Kindern nicht gerade die Haare vom Kopf gegessen.

Das war jetzt ein sehr langer Blogpost.
Aber ich wollte dieses Thema gerne an einem Stück behandeln.
Zu einigen Randthemen soll es in nächster Zeit noch gesonderte Posts geben, und dann eher in überschaubarerem Rahmen.

Ihnen allen noch einen Schönen Tag



AHA-Blogger

Dienstag, 8. März 2016

Wem erzählen wir was und wie viel?
Das ist eine relativ schwierige Frage.

ADHS gilt ja in der heutigen Zeit irgendwie als Modediagnose.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass wenn man jemandem erzählt, dass man Kinder mit ADHS hat, beim anderen folgendes Bild im Kopf entsteht: „Aha, die haben ihre Kinder nicht im Griff, schieben das jetzt auf eine dubiose Krankheit, und stellen die armen kleinen mit Psychopharmaka ruhig“.
In den Medien liest man immer häufiger, dass die Verschreibungsquoten für Präparate mit Methylphenidat und Atomoxetin  (das sind i.d.R. die „weapons of choice“ um ADHS zu behandeln) Jahr für Jahr enorm in Höhe gehen.
Es mag sein, dass ADHS inzwischen vielleicht tatsächlich zu häufig diagnostiziert wird, und dass zu häufig zur chemischen Keule gegriffen wird.
Doch es ist wirklich sehr mühselig ständig jeden davon zu überzeugen, dass wir bei jeder Diagnostik sehr gründlich waren, alles abgesichert haben, und unseren Kindern niemals Psychopharmaka geben würden, wenn es nicht wirklich das beste für sie wäre.
Zum Thema Medikation möchte ich aber noch mal einen gesonderten Post verfassen.

Ich bin selbst auch von beiden „Problemen“ betroffen, und dosiere diese Information sehr sparsam.
Selbst mein langjähriger Hausarzt, ein sehr gründlicher Mann, den ich insgesamt wirklich sehr schätze, hatte keine Akzeptanz für mein ADHS.
Er berief sich eher auf die Überschneidung der Symptome zur Hochbegabung, und war der festen Überzeugung, dass alle meine ADHS Symptome durch massive Unterforderung ausgelöst wurden.
ADHS war für ihn eher ein konstruiertes Syndrom, dem eigentlich andere Ursachen zugrunde liegen.

Ein großes Problem von ADHS ist, dass jeder Mensch einige der Symptome von sich selbst kennt.
Z.B. Unkonzentriertheit oder die Unfähigkeit, Dinge zu Ende zu bringen.
Punktuell hat das sicher fast jeder Mensch schon mal auf die eine oder andere Art bei sich erlebt.
„Normale“ Menschen haben das aber meistens überwunden und in den Griff bekommen.
Durch Übung, Disziplin, Druck von außen etc.
Es ist ihnen unbegreiflich, warum das nicht bei jedem funktionieren sollte.
„Ja, ich bin auch manchmal unkonzentriert. Aber dann muss man sich halt mal zusammenreißen!“ ist oft der Tenor, der mitschwingt.
Das ist ein sehr großes Problem.
Über einem Rollstuhlfahrer würde niemals jemand denken, dass der sich doch bitte mal zusammenreißen soll, damit er aufstehen und laufen kann, weil den Menschen die eigene Erfahrung mit dem Symptom und seiner Überwindung fehlt.
Dass sie einzelne ADHS Symptome von sich kennen und überwunden haben, projizieren sie auf die ADHS-ler, und gehen davon aus, dass diese das auf die selbe Weise überwinden könnten.
Die Einnahme von Medikamenten wird einem dann als „der leichte Weg“ ausgelegt.
Das ist alles leider ein großer Irrglaube, denn so funktioniert es nicht.
ADHS ist kein Mangel an Charakter, ist nicht die Unlust sich zusammenzureißen, oder ein Wesenszug mit Hang zur Disziplinlosigkeit.
Es ist ein Thema des Stoffwechsels, genauer der Botenstoffe im Gehirn, also ein physiologisches bzw. organisches Thema.
Doch wie schafft man dafür Akzeptanz?
Ich weiß es nicht...vielleicht indem man einen Blog verfasst?

Überraschenderweise haben wir aber festgestellt, dass das Thema Hochbegabung der Kinder unterschwellig zu noch schwierigeren Reaktionen im Umfeld führen kann.
Bei der älteren Generation (i.d.R. also die Großeltern) stellt sich häufig die Sicht ein: „Wenn das Kind so klug ist, warum benimmt es sich dann so komisch?“.
Bei befreundeten Familien, die Kinder in ähnlichem Alter zu unseren hatten, gab es zum Teil richtigen Neid.
Oft nur unterschwellig, aber doch immer mal wieder spürbar.
Eine gute Freundin der Familie hat es aber auch mal schön artikuliert (wofür wir sehr dankbar sind), dass sie irgendwie neidisch ist, dass unsere Kinder Dinge einfach nur ein mal hören, sehen oder lesen müssen, und sie dann meistens wissen oder verstanden haben, während das ihren Kindern viel schwerer fällt.
Wahrscheinlich fühlt sich das für viele wie eine Art Wettbewerbsvorteil unserer Kinder an.
Dass unsere Kinder es damit eigentlich viel schwerer haben, als andere Kinder, wird sehr selten gesehen.
Auch wenn andere Menschen oft sagen, dass sie sich vorstellen können, dass das für uns sehr schwer sein muss, so spüren wir sehr häufig, dass sie es nicht wirklich so meinen, und immer diesen Wettbewerbsvorteil sehen.
Hochbegabte Kinder lernen manchmal von selbst, dass es für sie besser ist, wenn sie nicht mit ihren Fähigkeiten auffallen, und stellen sich deshalb lieber dumm.
Für das Gedeihen eines gesunden Selbstbewusstseins ist das nicht unbedingt ideal.
Zwei unserer Kinder besuchten zeitweise ein allgemeinbindendes Gymnasium mit Hochbegabtenzug.
In jedem Jahrgang gab es immer fünf Parallelklassen (A bis E), und die C-Klasse war immer die Hochbegabtenklasse.
Schon bei der Einführung des Hochbegabtenzugs wurde dieser beim nächsten Abi-Streich von den Abiturienten verhöhnt (Abitur=Matura=Reife???).
Bei der Vorstellung der neuen Schüler und Klassen zum Schuljahresbeginn im Rahmen einer kleinen Feier wird immer jeder fünften Klasse und ihren Schülern lautstark applaudiert.
Bei der C-Klasse herrscht immer Totenstille.
Sozialkontakte von Schülern der C-Klassen zu Kindern aus den Parallelklassen sind äußerst selten.
Wenn man dann noch bedenkt, dass sich Hochbegabte sehr viel mehr Gedanken über alles machen, sich selbst und ihr Leben viel mehr hinterfragen als andere Kinder, dann wundert man sich, wie diese Kinder diese Ausgrenzungen überhaupt ertragen.
Mir schießen, während ich das schreibe, die Tränen in die Augen.

Ich möchte in diesem Post nicht ins Jammern kommen.
Aber die Akzeptanz im Umfeld ist sicher eines der größten Probleme überhaupt.
Es ist für uns Eltern ein sehr schmaler Grat, wie wir damit umgehen, und wie wir das alles unseren Kindern „verkaufen“.
Zwischen einerseits der notwendigen Bodenhaftung für die Kinder, durch die ihnen klar wird, dass es bestimmte Basics gibt, die auch sie leisten müssen, und dass vor allem die Hochbegabung sie nicht zu etwas besserem macht.
Und andererseits der Stärkung die sie erfahren müssen, damit sie ein gesundes Selbstbewusstsein aufbauen können, und sich selbst so annehmen und lieben können, wie sie sind.

Wie sind ihre Erfahrungen mit der Akzeptanz im Umfeld?
Egal ob ADHS oder Hochbegabung?
Schrieben sie es gerne in die Kommentare!

Ich wünsche allen noch einen schönen Tag



AHA Blogger

Freitag, 4. März 2016

ADHS und Hochbegabung, Symptome und Diagnose

Heute gehe ich mal in einer Art „Basis-Post“ auf die Kombination von ADHS und Hochbegabung ein.
Ich habe über die Jahre hinweg schon alles mögliche über diese Kombination gelesen und gehört.
Angefangen von der Aussage, dass diese Kombination nicht möglich ist, bis zu dem Glauben, dass sie besonders häufig vorkäme, war fast alles dabei.

Wenn man mal betrachtet, wie Hochbegabung definiert wird, kann man sich der Wahrheit vielleicht schon mal annähern.
Normalverteilung der IQ-Werte in der Bevölkerung
IQ-Tests sind so kalibriert, dass sich über die Bevölkerung hinweg eine Normalverteilung ergibt, mit einem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung von 15.
Die Standardabweichung von 15 bedeutet, dass ca. ⅔ der Bevölkerung im Korridor zwischen 85 und 115 liegen.
Als hochbegabt gilt man, wenn der IQ-Wert die zweite Standardabweichung (also 2x15 über dem Mittelwert) erreicht oder überschreitet, also ab 130.
Für ca. 2% der Bevölkerung wäre das noch zutreffend.

Theoretisch könnte man davon ausgehen, dass diese Verteilung auch für alle Menschen mit ADHS gilt.
Auch in dieser Gruppe von Menschen sollte die Verteilung in etwa so sein, was mir auch von einer Psychiaterin, die sich auf dieses Thema spezialisiert hat, bestätigt wurde.
Ich habe hier aber noch einen kleinen Einschub, den ich nicht so richtig bewerten kann.
In einem IQ-Test geht es ja nicht nur um die kognitiven Fähigkeiten.
U.a. werden auch das Arbeitsgedächtnis und die Verarbeitungsgeschwindigkeit getestet, und fließen in den gesamt-IQ mit ein.
Arbeitsgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit sind bei Menschen mit ADHS aber häufig - weil es eben zum „Krankheitsbild“ (ich hasse das Wort „krank“ in diesem Kontext) gehört - sehr schwach.
Deshalb würde ich behaupten, dass die IQ-Verteilung bei diesen Menschen wahrscheinlich nicht exakt gleich ist, wie in der Gesamtbevölkerung, sondern wahrscheinlich leicht nach unten verschoben.
Das ist aber wirklich nur eine ganz persönliche Annahme von mir, die ich mir selbst hergeleitet habe, aber nicht belegen kann.

Nach diesen vielleicht recht nutzlosen und teilweise auch leicht hypothetischen Zeilen, möchte ich etwas konkreter werden, und mehr ins „echte“ Leben eintauchen.
ADHS und Hochbegabung können in der Schule (ich würde einfach mal direkt von der Grundschule ausgehen) teilweise die selben Symptome zeigen.
Ein Kind mit ADHS wird häufig abgelenkt sein, wird dem Unterricht kaum folgen, oft herumkaspern, und kann auch zu impulsiven Reaktionen neigen.
Es kann auch andere Ausprägungen geben, und die von mir genannten Symptome müssen nicht zwangsläufig bei jedem Kind auftreten, aber ich muss hier natürlich ein wenig verallgemeinern.
Doch all diese Symptome können auch bei Hochbegabten auftreten.
Ein stark unterfordertes Kind wird dem Unterricht auch nicht nicht folgen, und wird auch herumkaspern.
Da hochbegabte einen extrem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn haben, und es kaum ertragen können, wenn sie etwas nicht verstehen, oder man ihnen etwas nicht stimmig erklärt, kann es auch bei ihnen zu impulsiven Ausbrüchen kommen, wenn sie in solchen Situationen emotional überfordert sind.
Kurzer Einschub: dass man hochbegabt ist (also überdurchschnittlich intelligent) bedeutet nicht, dass man auch eine überdurchschnittliche emotionale Reife hat.Das Gegenteil ist häufig der Fall. 
Als wir bei unserem ersten Kind solche Auffälligkeiten festgestellt hatten, waren wir eher auf der Hochbegabten-Schiene.
Nach ausführlichen Untersuchungen in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie wurde die Hochbegabung bestätigt.
Aber gleichzeitig wurden wir auch auf die Möglichkeit des ADHS hingewiesen.
Dort war man sich zum Glück dieser Überschneidung der Symptome bewusst.
Wir haben dann mit der Zeit auch die Möglichkeit des ADHS weiter verfolgt, und bekamen dann auch hierfür die ganz klare Diagnose.

So, da saßen wir nun.
Für junge unerfahrene Eltern ist ein hochbegabtes Kind schon Herausforderung genug.
Man bekommt das Gefühl, dass man das Kind nun permanent in allen Belangen fördern muss.
Mit dem ADHS kommt dann noch eine weitere erschwerende Komponente dazu.
Diese beiden Besonderheiten können sich theoretisch gegenseitig hochschaukeln, und zu noch größeren Problemen führen.
Auch hier kann im negativen Gelten, dass das ganze mehr ist, als die Summe der Einzelteile.
Aber eigentlich hatten wir mit unserem ersten Kind vergleichsweise viel Glück.
Die Hochbegabung hat dafür gesorgt, dass die geistige Abwesenheit im Unterricht kaum ins Gewicht fiel, und es von den schulischen Leistungen her kaum Probleme gab.
Die soziale Integration war natürlich nicht besonders gut, aber das Kind war auch nicht gänzlich von anderen Kindern abgeschnitten, weil wir Eltern das immer sehr stark gefördert hatten.
Leider hatten wir nicht mir jedem unserer Kinder so viel Glück, was die Wechselwirkungen der Besonderheiten angeht, aber darauf werde ich in einem anderen Post genauer eingehen.

Damit dieser Post keine Überlänge bekommt, schließe ich ihn nun erst mal ab.
Ich werde mit Sicherheit noch sehr häufig auf die Kombination dieser Problemstellungen eingehen, und auch Beispiele meiner anderen Kinder bringen.

Ich wünsche noch einen schönen Tag

AHA Blogger



Donnerstag, 3. März 2016

Herzlich willkommen!

Hallo zusammen, 

ich begrüße sie herzlich auf meinem Blog.

Ich habe ihn nicht deswegen AHA Blog getauft, weil ich mir sicher bin, dass sie hier ein Aha-Erlebnis nach dem anderen haben werden.
AHA steht für die drei Themen, denen ich mich in meinem Blog widmen möchte:
[A]DHS
[H]ochbegabung
[A]sperger Autismus

Ich bin mit wirklich wundervollen Kindern gesegnet, die aber alle mehr oder weniger von diesen Themen betroffen sind.
Auch ich selbst bin teilweise betroffen, nicht nur als Elternteil.
Ich möchte hier einfach über unsere Erfahrungen als Familie zu diesen Themen schreiben.
Immer aus meiner ganz subjektiven Sicht, ohne Anspruch darauf, die finale Wahrheit zu kennen, die perfekte Lösung parat zu haben, oder gar professionell helfen zu können.

Ich gestalte diesen Blog anonym.
Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht, ob das der richtige Weg ist.
In einen anonymen Blog hat der Leser per se sehr viel weniger Vertrauen, die allgemeine Glaubwürdigkeit und die Reichweite leiden darunter sicher.
Doch wenn ich den Blog nicht anonym gestalten würde, dann würde ich die Privatsphäre meiner Kinder in hohem Maße verletzen, ohne dass sie bereits den Weitblick hätten, dies mit mir gemeinsam entscheiden zu können.
Auch für mich und meine Karriere wäre es sicher nachteilig, wenn jeder in meinem beruflichen Umfeld wüsste, wovon ich betroffen bin.
Ich verfolge mit dem Blog weder ein kommerzielles Interesse, noch stelle ich hier Informationen zur Verfügung, die für die Allgemeinheit von großem Interesse sind.
Hier werden sie immer nur von unseren persönlichen Erfahrungen und Meinungen zu den oben genannten Themen lesen, was mit Sicherheit nur für einen äußerst kleinen Teil der Bevölkerung interessant sein kann.

Ich hoffe dass ab und zu jemand auf diesen Blog stößt, und für sich oder seine Familienmitglieder den einen oder anderen Impuls mitnimmt, sich nicht so alleine mit all den Problemen fühlt, oder einfach nur interessiert liest.

Einen schönen Tag noch



AHA Blogger